Einleitung
Baubotanik bezeichnet die Verbindung von Bäumen und baulichen Strukturen. Sie hat eine lange Tradition – von lebenden Brücken in Indien bis zu den berühmten Tanzlinden in Franken. Immer stand die Idee im Vordergrund, die Vitalität der Bäume zu nutzen, um Tragwerke zu schaffen oder Räume zu gestalten. Geprägt wurde der Begriff von Ferdinand Ludwig und seinem Team an der TU München, die auch wichtige Innovationen mit lebenden Pflanzen entwickelt haben. Bei Treeculture knüpfe ich an diese Tradition an – und bringe moderne Verfahren aus Baumpflege, Technik und Praxis ein.
Tradition & Geschichte
Die heute ältesten Beispiele der Baubotanik sind die lebenden Brücken der Khasi in Nordostindien. Hier werden Wurzeln des Gummibaums gezielt verflochten und über Generationen gelenkt, bis sie stabile Brücken bilden. Auch in Europa gibt es historische Formen: geflochtene Hecken, Laubengänge oder die Tanzlinden in Franken, deren Kronen über Jahrhunderte in Form gehalten wurden. Sie zeigen, wie Bäume nicht nur als Dekoration verstanden wurden, sondern als lebende Strukturen mit Nutzen – kulturell, sozial und funktional.
Moderne Baubotanik
in den letzten Jahrzehnten wurde die Baubotanik durch Forschung neu belebt. Neue Konzepte, wie z. B. die Pflanzenaddition, wurden entwickelt: Mehrere Jungpflanzen werden übereinander gesetzt und gezielt miteinander verbunden, sodass sie schneller zu tragfähigen Strukturen heranwachsen. Damit wird ein Nachteil rein biologischer Verfahren – die langen Entwicklungszeiten – teilweise ausgeglichen.
Mein Zugang ist ein anderer, aber komplementär: Ich konzentriere mich auf den baumpflegerisch-technischen Teil, also auf sichere Befestigungen an bestehenden Bäumen. Während architektonische Baubotanik viel Geduld erfordert, ermöglicht der technische Ansatz schnellere Ergebnisse, die planbar und kontrollierbar sind. Das ist kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung – beide Richtungen zeigen, wie vielfältig Baubotanik gedacht werden kann.
Technische Umsetzung
Es gibt unterschiedliche Verfahren, Lasten an Bäumen zu befestigen: schlingend (z. B. mit Gurten), zwingend (Konstruktionen pressen sich an den Stamm) oder verschraubend. Jedes hat Vor- und Nachteile. Spoiler! Ich bevorzuge verschraubende Verfahren und habe eigene Beschläge entwickelt, die heute in mehreren Baumhäusern im Einsatz sind. So entstand unter anderem das damals höchste Baumhaus Europas – eine Marotte aus Kindertagen, professionell umgesetzt und mit medialer Aufmerksamkeit bedacht.
Phantasie & Möglichkeiten
Baubotanik ist mehr als nur einfache Anwendungen wie Wäscheleinen oder Schaukeln. Sie eröffnet die Möglichkeit, ganze Konstruktionen sicher in Bäumen zu verankern – von Stadtmöbeln über Spielgeräte bis hin zu Baumhäusern. Baumhäuser sind dabei die größte Herausforderung, und Baumhochhäuser – meine Spezialität – die Königsdisziplin. Hier reicht es nicht, dass Konstruktionen „mitwachsen“: Sie müssen so geplant und umgesetzt werden, dass sie auch im Sturm die natürlichen Bewegungen der Bäume aufnehmen, ohne Schaden zu nehmen. Darum sind alle Elemente schwimmend angebracht – beweglich, kontrolliert und baumgerecht. Solche Projekte gehören zu den anspruchsvollsten, aber auch faszinierendsten Möglichkeiten der Baubotanik.
Und die Phantasie ist hier kaum begrenzt: Wer einmal anfängt, über Bäume als Tragwerke nachzudenken, entdeckt unzählige Möglichkeiten. Vom Stadtmöbel bis zur Brücke, vom Spielgerät bis zum künstlerischen Objekt – Baubotanik ist ein Feld, das erst beginnt, sich zu entfalten.
Seminare & Praxis
Im Seminar und Workshop Baubotanik erhalten Teilnehmende einen Überblick über historische und moderne Verfahren der Baubotanik, über verschiedene Befestigungsmöglichkeiten und ihre Entwicklung. Ein besonderes Highlight ist die Besichtigung meiner Baumhochhäuser: Dort lassen sich Konstruktionen unmittelbar erleben, und ich vermittle meine praktischen Erfahrungen aus Jahrzehnten. In der Praxisphase können die Teilnehmenden zudem selbst Hand anlegen und eigene Erfahrungen sammeln.
Da im Seminar/Workshop Baubotanik Kenntnisse der Baumbiologie vorausgesetzt werden, empfehle ich als Einstieg mein Seminar Baumbiologie.
Ausblick
Baubotanik verbindet Tradition und Innovation. Sie knüpft an alte Kulturtechniken wie lebende Brücken oder die Tanzlinden an, bringt aber mit moderner Technik neue Möglichkeiten hervor. Für mich ist sie ein Beispiel dafür, wie Mensch und Baum eine Symbiose mit Zukunft eingehen können: funktional, baumgerecht, voller Phantasie – und noch längst nicht ausgeschöpft.